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Vorteile und Nachteile

 

 

 

Teil 1 - Sturm und Brise

 

Eine offensichtliche Feststellung ist, dass es bei Menschen verschiedene Körpertypen gibt. Da sind große und kleine, starke und schwächere, athletisch und nicht athletisch, gelenkig und ungelenkig, lange Reichweite gegenüber kurzer und so weiter.

 

Wie man bei vielen sportlichen Aktivitäten beobachten und selbst erfahren kann, bringen solche Unterschiede für einige Leute Vorteile und für andere Nachteile mit sich. Dies ist auch relevant für die Kampfkünste.

 

Bedeutet dies nun, dass Budo Arten in erster Linie für besonders gebaute Leute geeignet sind? Bedeutet es, dass die anderen aufhören sollten, zu trainieren oder besser erst gar nicht anfangen, weil sie die Unterschiede niemals ausgleichen können? Die Antwortet lautet Nein, weil es einige Abhilfen gibt, wie zum Beispiel ... übrigens, haben wir schon erwähnt, dass es die großen und starken Personen sind, die Nachteile haben und die kleineren und schwächeren im Vorteil sind.

Warum ? Weil eines der herausragenden Merkmale von Kampfkünsten ist, dass die vorrangige Energiequelle, das Werkzeug, um seine Ziele zu erreichen, sich von Körper zu Geist verlagern sollte. Das gilt natürlich nur, wenn man einen eher echten Weg beschreitet und nicht den rein oberflächlichen sportlichen.

 

Was hat das nun mit dem Vorteil/Nachteil Thema zu tun ? Die Gefahr liegt darin, dass die großen starken Leute immer versucht sind, ihre körperliche Überlegenheit einzusetzen und andere Wege vernachlässigen oder ganz ablehnen und sich darüber lustig machen.

Das ist vollständig anders bei den schwächeren Leuten. Sie tun es nicht, weil sie einfach nicht in der Lage dazu sind. Von Anfang an sind sie dazu gezwungen, mit körperlich überlegenen Gegnern zurecht zu kommen, und es gibt auf Dauer keine Möglichkeit, dies durch reine Körperübungen zu erreichen. Das Erkennen dieser Tatsache ist eine mächtige Motivation, andere Wege zu erforschen. Aber, je größer und stärker jemand ist, desto unwahrscheinlicher wird es, jemandem zu begegnen, der noch größer und stärker ist.

 

Nun ist da wieder die Frage von oben: sind Kampfkünste in erster Linie geeignet für besonders gebaute Leute, das heißt für kleine und schwache? Bedeutet es, dass die anderen, die großen und starken, aufhören sollten zu trainieren oder erst gar nicht anfangen, weil sie ihre eigene körperliche Überlegenheit nicht überwinden können ?

Nein, weil es einige Abhilfen gibt, zum Beispiel die Konzentration auf Technik, Timing, Atmung und mentale Übungen. Für Trainingszwecke könnte man sich der besonderen körperlichen Überlegenheiten bewusst werden und dann versuchen, diese zeitweise nicht zu nutzen. Oder, um auf einen anderen Artikel auf dieser Website zu verweisen, dies wäre eine Anwendung für Verlieren um zu Gewinnen. Das ist nicht nur sinnvoll für extreme Fälle, sondern für jede Begegnung, bei der eine Person einer anderen nicht gewachsen ist; und es ist selbst relevant bei ausgeglichenen Verhältnissen. Zusammengefasst: es macht immer Sinn.

 

Also, Kopf hoch Ihr muskelbepackten Riesen; selbst für euch ist es möglich, in den Kampfkünsten weiter zu kommen. Und das ist etwas anderes, als nur einen schwarzen Gürtel zu tragen, Wettkämpfe zu gewinnen und Leute zusammenzuschlagen.

 

Und ihr, Kleinere und Schwächere, lasst euch nicht abschrecken oder frustrieren. Ihr habt von Anfang an großartige Trainingsbedingungen und das ohne die Illusion von auf Muskeln, Reichweite und Sportlichkeit beruhenden Erfolgserlebnissen; und mit ständiger Rückmeldung, dass ihr nicht durch Anhäufung von eben diesen Dingen vorankommen könnt. Aber werdet nicht übermütig und glaubt, dass ihr schon alles erreicht habt. Ihr mögt zwar besondere Chancen haben, aber es liegt an euch, was ihr daraus macht.

 

 

Teil 2 - Klimawandel

 

Als die asiatischen Kampfkünste in die westliche Welt eingeführt wurden, lernten die Leute, die sich damit beschäftigten, über Dinge, die sie einzigartig machen, wie Philosophie und Weisheiten und mentale Kraft und besondere Techniken und Atmung und anderem. Mit der Zeit gingen einige relevante Elemente in das öffentliche Bewusstsein über und wurden synonym mit Budo Arten.

 

Heute ist ein umgekehrter Trend sichtbar. Viele Schüler und auch formal zertifizierte Meister betrachten die Budo-Disziplinen mehr und mehr mit widerlicher Selbstverständlichkeit als reinen Sport. (Das spiegelt sich auch in der Sprache wider. Der Begriff Kampfsport wird im Deutschen viel häufiger verwendet als Kampfkunst.)

Bezüge auf Dinge wie geistige Energie oder bestimmte Denk- und Verhaltensweisen sind häufig nichts anderes als Lippenbekenntnisse, eine Art von Name Dropping, um sich mit den Assoziationen zu schmücken, die mit authentischem Budo verbunden sind. Und diese Angeberei funktioniert, weil es heutzutage oft die öffentliche Meinung ist, die richtige, wenn auch ziemlich grobe Vorstellungen über echte Eigenarten der Kampfkünste hat. Außenstehende neigen zu der Annahme, dass die Budo Eigenschaften immer noch das normale Training beherrschen und auch die erworbenen Fähigkeiten kennzeichnen. Aber, heutzutage enthalten durchschnittliche einschlägige Action Filme oft mehr Geist und Weisheit, als eine Trainingseinheit in vielen sogenannten Dojos.

 

Die Verantwortung in den Kampfkünsten Fortschritte zu machen, verschiebt sich von dem organisierten Ausbildungssystem mit seinen Verbänden und seinen Vereinen und seinen Prüfern und seinen Lehrern zu den Schülern selbst. Und es wird zunehmend schwerer, denn der Widerstand und das Unverständnis und das Lächerlichmachen kommen näher, weil sie von Innen kommen, von den Trainern und anderen Vereinsmitgliedern.

Lässt man sich dann in das Sport-Paradigma reinziehen, werden bestimmte körperliche Eigenarten in der Tat zu Nachteilen, zu unüberwindbaren Grenzen. 

© 2007 EWS

 

 

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