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Die beste Kampfkunst

 

Eine Budo Fabel

 

 

 

Es war gelungen, den Bären als Trainer für den großen Kampfkunst Lehrgang zu gewinnen. Er war berühmt für seine Kraft, seine Stärke, seine Zähigkeit, Ausdauer, Taktik, Geschwindigkeit und ein würdiger Botschafter des Bär-Do, dem Weg der dynamischen Tatze. Eine bunte Mischung vieler Tiere machte sich auf den Weg, um der Veranstaltung beizuwohnen.

 

Nach der offiziellen Begrüßung begann das Aufwärmtraining. Hier glänzten die Katzen beim Dehnen, verzeichneten hingegen bei Liegestützen nur geringe Erfolge. Konnten die Flamingos ihre Vorteile im Gleichgewichthalten ausspielen, scheiterten sie beim Bockspringen mit den Schimpansen. Kurz darauf kapitulierten die Kühe, als sie mit Purzelbäumen konfrontiert wurden. Seitliches Abrollen verursachte Panik bei den Schnecken und der Strauß erreichte beim Klettern einen Tiefpunkt. Während den Handständen verließ die Giraffe die Halle. Vor der Tür traf sie den Skorpion, der sich gleich zu Beginn der Sit-Ups selbst gestochen hatte. Sämtliche Übungen ließen das Krokodil kalt und die Lockerungsteile brachten es an den Rand seines Fassungsvermögens.

 

Die vom Bären vorgeführten Techniken gehörten dann zur absoluten Spitzenklasse, und die Teilnehmer strengten sich an, das Gezeigte nachzumachen.

Das Training für schnellen Antritt und plötzliche Richtungswechsel ließen Regenwurm und Pottwal an sich zweifeln. Explosive Beißangriffe passten nicht ins Repertoire des Schmetterlings und die Pelikane scheiterten an Krallentechniken. In der Disziplin der beherzten Prankenhiebe wurde der Hase weit abgeschlagen.

Tänzelnde Einlagen machten den Tiger ratlos, der Stier wartete darauf, seine Hörner einsetzen zu können, und das Känguru träumte von weiten Sprüngen. Der Hai drehte in seinem Becken frustriert Ovale und der Adler saß deprimiert in der Ecke neben den schluchzenden Pinguinen, während Elefanten und Piranhas an den kunstvoll vorgeführten Fußfegern des Bären verzweifelten. Das Angriffsprinzip eines heranstürmenden Kolosses wurde von der Ente mit akademischem Interesse aufgenommen und zeigte gleichzeitig Hamster und Qualle ihre Grenzen. Schaf und Frosch versuchten unermüdlich, den Kampfschrei nachzuahmen, und die Eule konzentrierte sich von Anfang an auf die mentalen Aspekte.

   

Lediglich das Flusspferd folgte den Ausführungen des Bären, bis dieser als grundlegende Philosophie den Wechsel vom vier Pfoten Lauf zum zwei Pfoten Gang in aufrechter Haltung in den Vordergrund stellte.

Schließlich schufen die Ausweichübungen von Faultier und Koala unvergessliche Erinnerungen, welche nur noch vom Partnertraining zwischen Pfau und Schwein übertroffen wurden.

 

Der Unterricht klang mit Gymnastik aus, die bereits im Ansatz die Muscheln demoralisierte. Die Aussicht auf neuerliche Dehnübungen entmutigte jetzt den Wasserbüffel. Danach verweigerten Katze und Kugelfisch die gegenseitige Massage. Atemtechniken führten die Hunde an den Rand der Bewusstlosigkeit und das Chamäleon meditierte sich unsichtbar. Rechtzeitig zum Abgrüßen beendete die Schildkröte ihren zehn Runden Lauf vom Aufwärmtraining. Der Lehrgang schloss mit der Verabschiedung des Bären und dem Überreichen diverser Honigspezialitäten, was zu einem Affront gegen die anwesenden Bienen führte.

 

Die Veranstaltung hinterließ gemischte Gefühle, obwohl niemand an der Qualifikation des Bären zweifelte. In der Folge konnte man das Entstehen zahlreicher spezialisierter Interessengruppen beobachten. Eine der gößten Zusammenschlüsse bildete die Wasserliga, angeführt vom Hai-Do, dem Weg des leeren Kiefers. Obwohl darauf bedacht, möglichst viele Strömungen zu integrieren, drohte hier bald die Abspaltung von Seeigeln und Korallen.

 

Im Laufe der Zeit wurde immer öfter die Frage gestellt, was denn nun der beste aller Kampfstile sei. Es gab ausmalende Vergleiche und leidenschaftliche ideologische Debatten, vor allem in Bezug auf die beiden führenden Richtungen Hai-Do und Bär-Do.

 

Um den Streit zu beenden und die beste Kampfart zu ermitteln, wurde angeregt, einen Vergleichskampf zwischen Bär und Hai auszutragen. Die Bärlobby bot den Platz vor der großen Höhle als Arena an. Die Hailobby lehnte dies ab und schlug stattdessen vor, den Bären in ein nahes Gewässer zu werfen, wo sein Kontrahent auf ihn warten würde, was wiederum dem Felllager missfiel. Schnell wurde klar, dass man einen neutralen Austragungsort brauchte, der keinen der beiden Teilnehmer bevorzugte. So entstand die Idee, den Hai und den Bären zusammen hoch in die Luft zu schleudern, wo keiner von beiden einen Terrainvorteil haben würde.

 

Die Sekundanten von Bär-Do und Hai-Do betrachteten die verführerische Logik des Gedankens mit einiger Skepsis, während die ranglistensüchtigen Massen dem Ereignis erwartungsvoll entgegensahen.

 

Und zum ersten Mal seit Jahren, seit Jahrhunderten, wahrscheinlich seit Beginn der Evolution, formte sich ein breites Grinsen auf dem Gesicht des Adlers.

 

© 2011 TDI

 

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