Studie 27
(Freigegeben zur öffentlichen Einsicht
nach Ablauf des
Geheimhaltungszeitraumes)
Einleitung
In einem mehrere Jahre dauernden Feldversuch wurde
die Bereitschaft von Teilnehmern verschiedener
Kampfkunst/sport Disziplinen untersucht, ihnen vorgesetzte
Respektspersonen als Meister anzuerkennen. Das Experiment lief in
mehreren Stufen ab, wobei die eingesetzten Autoritäten immer
mehr von dem Bild eines Meisters im ursprünglich positiven
Sinne abwichen.
Phase
1
Aus der Mittelstufeneinheit eines Vereins wurden
mehrere Personen zufällig ausgewählt. Nach Einweisung in Habitus und
Sprachgebrauch wurden sie mit einem schwarzen Gürtel versehen und
einer Trainingsgruppe als Meister zugeteilt. Anfängliche Zweifel und
sporadisch aufkeimende Kritik konnten in der Regel durch autoritäres
Gehabe und bestandene Gürtelprüfungen eingedämmt
werden. Die meisten Versuchspersonen arrangierten sich nach
einiger Zeit mit den Verhältnissen.
Phase
2
Dieser Abschnitt lief analog Phase 1 ab, mit dem
Unterschied, dass in der Fußgängerzone zufällig ausgewählte
Passanten als Autoritäten eingeführt wurden. Auch hier erwiesen sich
gezielte Hinweise auf die hierarchische Ordnung und Wahrung der
Tradition als Garant für den Erfolg des
Experimentes.
Phase 3a
Die eingesetzten Menschen wurden durch dressierte
Schimpansen ersetzt. Der Versuch drohte in einem frühen Stadium zu
scheitern, als mehrere Personen den Vorgang öffentlich
hinterfragten. Um den Funken der Anzweifelung nicht auf den Rest der
Trainingsgruppe überspringen zu lassen, wurden sie isoliert und in
eine endlose Debatte über die prinzipielle Nicht-Definierbarkeit
richtiger oder falscher Wertvorstellungen
verwickelt.
In der
Folgezeit disqualifizierten regelmäßige Hinweise auf die
Pflicht zur Loyalität und Achtung des Meisters jegliche Zweifel
bereits im Ansatz als Tabubruch. Die Kritik wurde vollständig in den Hintergrund
gedrängt, als die Primaten Gürtelprüfungen abnahmen, wobei die
vorbereiteten Urkunden nur noch abgestempelt werden brauchten, was
den gelehrigen Tieren in angemessener Zeit beigebracht werden
konnte. Die durch die liebenswerten
Geschöpfe erzeugte gute Stimmung festigte die Verhältnisse
nachhaltig. Statistisch irrelevant ist dabei ein Vorfall, bei dem
der Schimpansen-Prüfer einem Grüngurt in die Nase
biss.
Phase 3b
Ein in die Gruppe eingeschleuster Mitarbeiter
bekam den Auftrag, als Agent Provocateur
verstärkt Kritik zu üben. Während die Masse es unbeteiligt zur Kenntnis nahm, wurde er
von einigen Teilnehmern als Miesmacher, Ketzer
und Nestbeschmutzer beschimpft. Letzte Zweifel konnten durch regelmäßige Hinweise auf
Respekt, Tradition und Meister-Graduierungen der
Primaten argumentativ im Keim erstickt werden. Das Schweigen der zutraulichen Tiere auf Versammlungen
wurde als spirituell gefestigte Ruhe gedeutet.
Mehrere Personen luden Affen zu privaten Feiern ein und in
einem Fall
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Phase
3c
Ein Jahr darauf wurden die Teilnehmer über das
Experiment aufgeklärt. Nach der Überwindung des ersten Schocks
zeigten die meisten beschämt Einsicht. Die Aufarbeitung der
Geschehnisse und die psychologische Betreuung besonders loyaler
Personen nahm mehrere Monate in Anspruch. Allgemein wurde akzeptiert
und verstanden, wie dumm und lächerlich es war, Affen eine derartige
Position anzuvertrauen. Auch wurde der entstandene Personenkult
im Nachhinein als absurd beurteilt. Als unmittelbare
Konsequenz entließ die Vereinsversammlung den Schimpansen
als ihren Vorsitzenden und Meister. Als Nachfolger akzeptierte man ein von der
Versuchsleitung empfohlenes Rind.
Kontrollversuche
Parallelversuche mit Gnus und
Langhaardackeln lieferten
vergleichbare Ergebnisse.
Vollkommen fehl schlugen
die Experimente mit einem Huhn. Ein in der Gastronomie
tätiges Vereinsmitglied schlachtete das Tier und bereitete es
kunstfertig zu. Die Polizei konnte gerade noch rechtzeitig
eingreifen, als eine wütende Menge den
Koch mit dem Ausruf "Du hast unseren Sensei gefressen"
lynchen wollte.
Ausblick
Die Versuchsreihe wird mit
weiteren Experimenten fortgesetzt. Hierbei soll
der Übergang zu nicht-lebenden Bezugsobjekten vollzogen
werden. Anknüpfungspunkte sind dabei Arbeiten aus den 90er
Jahren, bei denen ein Anfängerkurs dazu gebracht wurde, eine
Marzipankartoffel als Respektsperson anzuerkennen, nachdem bekannt
wurde, dass diese über eine Prüferlizenz
verfügte.
Schlagzeilen machte die Geschichte mehrerer
Personen, die jahrelang einer Frikadelle mit Schwarzgurt hörig
waren. Durch regelmäßiges Ausrichten von Lehrgängen und
Turnieren erlangte die Boulette
Kultstatus.
Bahnbrechend waren auch Arbeiten über die
Anerkennung einer Kuhflade als formale
Autorität. Ausschlaggebend waren hier sozialer Druck und
Erzeugung eines Gemeinschaftsgefühls mit Ausgrenzung und
Repressionen gegen Zweifler und Abweichler. Ihre guten Beziehungen
sowie ihre hohe Graduierung festigten die dominante Stellung der
Fäkalie.
Anhang
Gespräch 19
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