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Meisterwerke
Opus_77
Die Kata in der Leere des Raumes
ohne Goldenen Vogel
TDI, 2005,
Privatbesitz
Nachdruck einer
Rezension aus dem Englischen, mit freundlicher Genehmigung des
„Magazine
for Non Obedient Martial Art“.
Über das
Werk
Der Betrachter
nähert sich mit Neugier und Erwartung einem der
prägendsten Kunstwerke des 21. Jahrhunderts. Lässt er sich auf die
Komposition ein, verwandelt sich das anfängliche Gefühl
der bunten Unordnung in eine gezielte Darstellung vielschichtig
auffächerbarer Aussagen. Die Deutung des Werkes wird
von der Kenntnis des persönlichen Hintergrundes des Künstlers
gelenkt.
Die erste oberflächliche
Betrachtung zeigt eine schräg verlaufende, genau abgegrenzte eckige
Fläche, die von einem wirren Form- und Farbspiel umgeben ist.
Hierbei
kennzeichnet die starre Ordnung eine verallgemeinerte
Vorstellung der traditionellen Kampfkünste,
die
dem Neuling eine erste Ausrichtung in der Budolandschaft ermöglicht.
Ist die Strenge der äußeren Darstellung anfangs vorteilhaft,
wandelt sich der reglementierte Stil immer mehr zur Grundlage für
eigene Erkundungen der Umgebung, wobei Formen zerfließen,
austauschbar werden und schließlich mit den Inhalten
verschmelzen.
Dieses Werk ist eine Momentaufnahme im
Zeitablauf, wobei auf den Ausgangspunkt durch die
im Bild innewohnende Bewegtheit rückzuschließen ist.
Bei näherer Untersuchung eröffnet sich so
eine abgestuftere Sicht. In der Mitte die einst solide
Kampfkunst, die durch den Einfluss eines oder mehreren Antisenseis
in Form und Inhalt immer mehr verdorben und schließlich
zerstört
wird.
Dieser inhärente Prozess der Dekomposition basiert
auf einer narzisstisch-hedonistischen Interdependenz Philosophie
zwischen Cäsarenwahn und Konsument, die unter dem Ideogramm
Antisenseiismus subsummiert ist und durch funebre Chromatik und
muköse Konturen konkretisiert wird, welche ein zur initialen
Assoziation kontrastierendes odiöses Klima
generieren.
Hierbei versucht der Handelnde, in der
Weltliteratur als Antisensei bekannt, andere Gebiete zu
unterwandern, sich windend in der Bereitschaft, jegliche
Äußerlichkeiten und Standpunkte anzunehmen, die ihm zur
Einverleibung fremder Farbmengen nützlich
erscheinen.
Schon während der Verunstaltung bilden sich in
Teilbereichen des Restbildes neue Stile aus, die über
Zeit und Raum miteinenader wirken. Selbst
der einfarbige Gürtel als vormals ordnendes Sinnbild geht in anderen
Abzeichen auf, wobei der Fladen als beherrschendes Rangemblem
hervorsticht.
Sind die Antisensei Domänen durch instantane
Adaption an opportune Axiologien typisiert, werden die
traditionellen Sphären von einer rigiden Grammatik definiert, die
megalomanresistente Artefakte
produziert.
Dennoch, ein Zusammentreffen von Antisensei
Verfehlungen mit anderen Objekten führt in der Regel zu
schleichender Entfremdung bei gleichzeitiger Verweichlichung, die
sich vom eigentlich erstrebenswerten sanft-energischen Chaos durch
eine ruchbare Strenge und einer
Vielzahl von Selbsttäuschungen über Raum und Zeit
unterscheidet.
Die Empirie dokumentiert hic et nunc, dass der
penetrant konziliante Habitus des Hipokriten eine pandemische
Zirkumferenz des solipsistischen Eidolon induziert. Als periodisches
Epiphänomen der Vulgärmanipulation durch inflationäre
Colorierungen echappiert die fermentierende Reelität als
denunzierender
Verbal-Flatus.
Reine Antisensei
Bereiche bilden in einem im mustergültigen Gleichgewicht
befindlichen System nur kleine Ansatzpunkte für
Scharlatanerie, deren sehr begrenzte Färbungen die an sie
angrenzenden Vereinsschattierungen als absolute Grenzen der eigenen
Entwicklungsmöglichkeiten anerkennen
müssen.
Zu keiner Zeit jedoch leugnet der Künstler
die Möglichkeit parasitärer Einflüsse. Während einige Gebiete
die Neigung zu unverfälschten Formen und Farben erkennen
lassen, scheinen andere bereits von der schleichenden Doktrin des
Neo-Antisenseiismus infiziert zu sein. Selbst der anfangs
außenstehende Betrachter wird an solchen Stellen in diese
bedrückende Stimmungslage hineingezogen und kann sich ihr nur
durch Wahl eines neuen Ausgangspunktes für seine weitere
Bilderkundung
entziehen.
Wie
schon bei der Installation "Landschaft mit Baum und
Weißgurt", vereinfacht sich die scheinbare Vieldeutigkeit des
hier vorliegenden Werkes bei weiterer Vertiefung zu einer
einzigartigen Komposition mit nur einer in sich zusammenhängenden,
wenn auch mehrdimensionalen, Deutung, in der der Antisensei als
wechselrythmisch auftretende größenwahnsinnige Erscheinung
gezeichnet wird, die mit dem Auslösen einer Farbpest gleichzeitig
die Grundlage für seine eigene Zerstörung schafft, nach welcher die
Kräfte der wiedererstarkenden Farbphantasien für eine
weitere unbestimmte Zeitspanne die
Überhand gewinnen.
Bleibt noch die Frage nach dem goldenen Vogel, die
sich als eigentliche Antwort des Bildes entpuppt. Dem Weg, dem Do,
als wahrem Ziel, im Bild nicht zu erkennen, sondern nur aus
einer Symbiose der nebenläufigen Anspielungen ableitbar, wird die
Rolle der Hoffnung anvertraut, verbildlicht durch die neu
aufgenommene Gürtelfarbe
Silber.
Über
den Künstler
TDI ist Begründer und einflussreicher
Vertreter der Stilrichtung des Obstruierenden Anti-Antisenseiismus.
Einem breiten internationalen Publikum wurde er bekannt, als seine
Aktion "Rembrandt vor und nach der Bombe" in letzter Minute
untersagt wurde. Mit seinem Versuch, so gegen die Zerstörung
der Werke alter Meister durch den Missbrauch neuer Technologien
aufmerksam zu machen, provozierte er einen schwelenden Konflikt
zwischen Politikern und Antisensei Lobby auf der einen und
Künstlern und Waffenindustrie auf der anderen
Seite.
Nach diesen Ereignissen konzentrierte
TDI seine Anstrengungen darauf, den Prozess der
Überenergetisierung mental nachzuvollziehen und von der
konkreten Fallstudie eines Antisensei auf die ganze
Vielfalt der Scharlatanerie zu verallgemeinern. Dies führt zu
einer vollkommenen neuen Ästhetik der Verbal-Epitasis, die
zusammen mit der oft selbstzerstörerischen Natur des
Künstlers in der Enttabuisierung gesellschaftlicher
Massenpsychosen
mündet.
Der Künstler über sich
selbst
Als ich ein Bild von Pollock in die
Mikrowelle steckte, erkannte ich, dass die
Zerstörung des Oberflächlichen den Inhalt offenbart und ein
Kontinuum neuer Farb- und Formmengen freilegt. Seitdem befinde ich
mich auf der Suche nach dem Ippon der bildenden
Künste.
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