Respekt und Disziplin
Über Respekt und Disziplin ist schon oft geschrieben und
geredet worden.
Neben einer Auffrischung der Begriffe ist manchmal auch
eine Interpretation im Lichte der augenblicklichen Verhältnisse
notwendig.
Da sind Vereinsmitglieder, die mit Selbstverständlichkeit
während des Trainings Schmuck tragen, rumquatschen und Kritik
autonom selbstbewusst abperlen lassen; die sich fröhlich anmaßend
einen Grad nach dem nächsten selbst zusprechen und dann bei
Schenkungsveranstaltungen bestätigen lassen; die bei den ersten
Anzeichen körperlicher Härte oder anderen unheimlichen Begegnungen
mit der Wirklichkeit ihre Empörung kundtun.
Da sind Prüfer, die Graduierungen nach Kriterien
vergeben, die nichts mit Fähigkeiten zu tun haben; die eine
Laisser-faire Haltung gegenüber allem einnehmen, dessen
Publikwerden die Illusion einer heilen Vereinswelt stören
könnte; die Mitglieder, welche in jedem richtigen Dojo längst
rausgeworfen worden wären, mit neuen Gürteln behängen oder als
Trainer einplanen.
Der Verein, entfremdet von seiner eigentlichen Funktion,
ist ein Vehikel zur Durchführung von prestigeträchtigen
Veranstaltungen geworden, auf Kosten Hunderter fehlgeleiteter
Mitglieder, die, reduziert auf ihre Anzahl, eine ebenso prahlerische
wie einflussreiche Statistik abgeben.
Eine Ferien-Club Mentalität hat sich breit
gemacht.
Und dennoch: Es gibt innerhalb des ***
Vereins ein echtes Dojo. Dieses hat keine eigenen Ausweise,
keine äußeren Erkennungsmerkmale, keine separaten Veranstaltungen.
Es existiert im Verhalten und in den Köpfen seiner Mitglieder. Eine
Minderheit Budoka vermischt mit einer Masse von
Spaßsportträumern.
Was bedeuten unter diesen Bedingungen Respekt und
Disziplin ?
Zum einen das, was immer schon gegolten hat, etwa der
Respekt vor bestimmten Ideen und Wertvorstellungen, vor den
wirklichen großen Meistern, allgemein vor all denen, die ernsthaft
eine Budoart betreiben. Die Disziplin, nach eigenen
Möglichkeiten ausdauernd zu trainieren, sich während und
außerhalb des Trainings angemessen zu verhalten.
Zum anderen kommen diverse
Vermeidungsaspekte hinzu.
Da ist die Disziplin, sich durch überbewertete Massen
nicht selbst zu verlogenen Erfolgserlebnissen verleiten zu lassen,
keine Anerkennung und keinen Respekt vor Gürtelgauklern zu zeigen,
keine automatisierte Loyalität zu formalen Autoritäten, die ihre
Glaubwürdigkeit für Beliebtheit und Beziehungen
verramschen.
Kann man einen unerwünschten Zustand kurzfristig nicht
ändern, so doch zumindest vermeiden, ihn zu unterstützen, und so
muss jeder abwägen, ob und wie er sich in solch einer Umgebung
engagiert.
© 2003
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