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Wie ein Feld von Obelisken wirkt der Platz vor dem Hauptgebäude. Aus der Nähe erkennt man jedoch eine Installation aus Skulpturen in Brötchenform.

 

Die entfesselte Ornamentik dieses Ensembles zeigt, wie die Wahrnehmung aus der Entfernung täuschen kann. Es ist eine starke Aussage über Dinge, die sich nur bei genauem Hinsehen erschließen.

 

Und damit willkommen zur wichtigsten Ausstellung zeitgenössischer Kunst, der Budomenta 14.

Während unseres Rundgangs stellen wir ausgewählte Exponate vor und lassen Experten zu Wort kommen.

 

Eine absolute Neuerung ist die Philosophie des aktiven Konsums. Jedem Besucher wird anstelle einer Eintrittskarte ein weißer Hula-Hoop-Reifen überreicht.

 

Hinter dem Eingang begrüßt uns ein scheunentor-großer Hund aus glänzendem Metall mit Halsband und löchriger Leine, die schlaff zum Boden hängt.

 

Dies ist ein Isotop der Kollateralkunst, dessen Unaufgeregtheit sich jeder Analyse entzieht. Die monolithische Ästhetik spricht für sich selbst.

 

Etwas weiter sind Bilder und Skulpturen großer Meister aufgestellt. Dazwischen befindet sich eine Güllegrube, über der ein Geier aus Plastik kreist. Das Ganze ist umrahmt von hochwertigem Tropenholz. Daneben stehen Kommunikationsbeauftragte, die dem geneigten Zuschauer Argumente für die Wichtigkeit und Schönheit der Darbietung liefern.

 

Diese Inszenierung entfacht kinetischen Brechreiz. Schaulaufen der Ignoranz und kollektive Bestrafung aller Sinne,  sagen die einen; für andere eröffnet sich eine Möglichkeit, den Kunstmarkt nach ihren Visionen zu prägen. Auf jeden Fall ist es ein Vorbote für künftige Entwicklungen.

 

Da muss ich widersprechen. Welch mutiger und wunderbarer Ansatz ! Man kann über die Bedeutung des Werkes geteilter Meinung sein, aber nicht darauf einzugehen zeugt von einem tertiären Demokratieverständnis. Solch eine Präsentation kann den Zauber ungehemmter Globalisierung einer breiten Masse nahebringen

 

Vorbei an Pantomimen, die mit imaginären Farbbeuteln werfen, gelangt man zu einer der wenigen Dichterlesungen. Der Vortragende hockt auf einer Mülltonne und rezitiert stundenlang den immer gleichen Satz, der da lautet: Der Weg war mein Ziel und getäuscht wurd ich viel.

     

Es ist eine majestätische Arbeit, die in der Fachliteratur als erster akustischer Raumteiler gefeiert wird.

   

Einer der Publikumsmagnete ist der Pavillon, über dem ein Neon Schild mit der Aufschrift Wartezeitthront. Hier baumeln bunt gefärbte Bananen, nach denen man sich strecken kann, die aber nach einiger Zeit auch von selbst runterfallen. So legen sich die meisten Besucher einfach darunter und warten.

 

Das gibt uns zu denken und dann wiederum nicht.

   

Neuen Technologien widmet sich der angrenzende Acker. Dort ist eine überdimensionale Tastatur ebenerdig eingebaut und mit Satzteilen beschriftet. Mehrmals am Tag lässt man darauf Kühe, Schweine, Ziegen, Schafe, Hühner und anderes herumlaufen. Nach einer Grammatikprüfung durch einen Computer mit zehn Gramm Künstlicher Intelligenz werden die erzeugten Sätze in sozialen Netzwerken veröffentlicht.

 

Wie, wenn überhaupt, und warum ist das einzuordnen ?

 

Eindeutig als Zukunft der Kommunikation. Eine Orgie von beliebig angeordneten Symbolen.

 

Schwein Nummer 45 hat bereits Millionen Follower und ist aktiv in Diskussionen über Wirtschaftspolitik eingebunden. Ist das zu verantworten ?

 

Jegliche objektive Diskriminierung basiert auf einer oder mehreren asymmetrischen Meinungsfreiheiten. Fakt ist, dass die Perfomance spielerisch die Kluft zwischen Unfähigkeit und schlechtem Geschmack überbrückt.

 

Nun zu einem Pavillon, vor dem ein riesiger, mit dunklem Stoff ausgekleideter Trichter magische Anziehungskraft ausübt. Der Innenraum ist auf ganzer Länge mit einem schmalen Steg durchzogen, der die Fläche in zwei Abschnitte teilt.

 

Auf der einen Seite bewerfen sich die Darsteller mit Wattebäuschen und jonglieren mit Daunenfedern. An der Wand hängen Selbstportraits von Zierpflanzen. Bei Tofu mit Jutedressing wird über Raufasertapeten meditiert. Dann geht es ab zum Seifenblasen-Ego-Shooter.

 

Auf der anderen Seite üben die Akteure mit Jo-Jos aus Hanteln und Stahlketten, spielen Völkerball mit Bowlingkugeln und trampeln aufeinander rum. Nach dem Amboss-Beißen brüllen sie sich in Spiegeln selbst an. Eine Kissenschlacht mit gefrorenen Rinderhälften rundet die Nummer ab.

 

Wir balancieren auf dem immer enger werdenden Pfad und müssen aufpassen, nicht abzurutschen.

 

Diese Demonstration ist ein extrovertiertes Statement über den real existierenden Kunstbetrieb. Wer das abstreitet, der leugnet auch den anderen Klimawandel.

 

Wieder draußen, wartet eine Plattform mit einer den olympischen Ringen nachempfundenen Konstruktion. Sie ist perfekt ausgeleuchtet, und die rundum aufgebauten Kameras übertragen die Show in die ganze Welt.

Professionelle Athleten hüpfen hektisch auf der Stelle oder vor und zurück und machen kopfüber Hampelmänner, während die an ihnen angebrachten Wunderkerzen funkelnd abbrennen.

Einige tanzen betört um eine Anordnung von Pokalen und Medaillen.

Andere sind nach ganz oben geklettert und rotieren mit kraftvollen Bewegungen gusseiserne Hula-Hoop-Reifen.

Gleichzeitig läuft die Uraufführung eines dreidimensionalen Schachspiels mit Straßenpollern. Die Hip-Hop Version der Nationalhymne sorgt hierbei für musikalische Untermalung.

Zum Finale ergießt sich über der Bühne ein Konfettiregen, der in eine Flut von Geldscheinen übergeht, die bald alle Konturen bis zur Unkenntlichkeit verwischen.

 

Früher wurde so etwas nicht für möglich gehalten, doch jetzt werden ganz neue Konsumenten angesprochen, die davon nicht genug bekommen können.

 

Der offizielle Ausstellungskatalog preist das Spektakel als moderne Sportkunst. Fachleute werten es jedoch als vorauseilendes Mahnmal für die Dualität zwischen Ausbeutung und Dekadenz.

 

Hier wird eine kreative Nische ausgenutzt, die den Betrachter zum Mittäter macht.

 

Auf jeden Fall ist es ein Sittengemälde voll verschwendeter Potentiale, beliebig interpretierbar und doch eindeutig in der Aussage.

 

Das erinnert an die Parallelausstellung zur Budomenta 14, die thematisiert, wie Kultur durch die Symbiose von Kapitalismus und Dilettantismus kaputt kuratiert wird.

 

Wir blicken noch einmal auf die Frontwiese, wo immer mehr Personen ihre Köpfe in die Brötchenskulpturen stecken.

 

Beim Verlassen des Geländes wird jedem Besucher ein neuer Hula-Hoop-Reifen überreicht, diesmal in edlem Schwarz.

 

Was bleibt, sind starke Bilder über den Status Quo und ein Nachdenken über die Budomenta der Zukunft. Solche Programme haben das Potenzial zu Großem, können aber auch im Sumpf institutionalisierter Fehler steckenbleiben. Dann werden die Hebammen des Konzeptes zu deren Zerstörern.

Aber da sind ja noch andere, durchaus auch kleinere Veranstaltungen, die sich zu besuchen lohnt.

 

Damit verabschieden wir uns bis zum nächsten Mal und hula-hoopen in den Sonnenuntergang, auf der Suche nach Kunst, wo noch niemand zuvor Kunst gesucht hat.

      

 

© 2017  DEA + GNM + HAW + TDI + UNE

 

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