Karate-Doctor Logo

 

zurück Button

 

Budomenta 13 Logo Budomenta 13 Budomenta 13 Logo 

 

 

 

Liebe Zuschauer, herzlich willkommen zur Budomenta 13, der Kunstausstellung, die oft mit ihrer kleinen Schwester, der Documenta, verwechselt wird. Das offizielle Thema der diesjährigen Veranstaltung ist der erweiterte Kampfkunstbegriff.

 

Im Studio begrüßen wir die Leiterin des Kunstvereins der Scharlassekura Versicherung, den Kurator der Sammlung Ostgotische Deichaquarelle, den Chefredakteur der Zeitschrift Kochen wie Pollock malt, die stellvertretende Sprecherin des Referats für Kunst, Kultur und Kernenergie der Seeräuber-Partei und den Vorsitzenden des Industrieverbandes der Kipplaster Hersteller.

 

Meine Damen und Herren, graduierte Einbauküchen, falsch gebundene Gürtel aus Gusseisen und Sandsack Mobiles in Aspik. Wie erklärt man das dem Außenstehenden ?

 

Pragmatisch und bürgernah. Solche Events werden ja immer stärker politisiert. Im Vorfeld gab es eine Demonstration von Veranstaltungsgegnern unter dem Motto Occupy Augiasstall. Anstelle die Aktivisten zu verhaften, wurden sie eingezäunt und als Performance Art in den Ausstellungskatalog übernommen.

 

Beginnen wir unseren Rundgang mit der Kampfschreiinstallation K7. Sie hüllt uns in ein Potpourri aus Tierlauten, quietschenden Autoreifen, Marktschreiern, Bundestagsreden und anderem Getöse. Von der Decke hängen farbige Stoffbahnen, die fast bis zum Boden reichen. Die Besucher werden ermuntert, Teile davon abzureißen und sich in die Ohren zu stopfen, umzubinden oder zu essen. Als Hasen verkleidete Kampfsportler hoppeln derweil wild gestikulierend in einem Käfig aus Bilderrahmen rum.

 

Wie ist das Werk zu verstehen ?

 

Das ist eine vielschichtige Inszenierung. Neben der offensichtlichen Kapitalismuskritik der Spätrenaissance demaskiert der Künstler auf einer tieferen Ebene gängige Mythen über den öffentlichen Personennahverkehr.

 

Im nächsten Raum wartet eine Oase der Ruhe. Lediglich zwei Objekte befinden sich hier, mutig zusammengestellt von der Ausstellungsleitung. Da ist ein Kasten mit Glasfasern, die in regelmäßigen Zeitabständen mit Licht unterschiedlicher Farben durchflutet werden. Ein Symbol für die Beliebigkeit heutiger Graduierungen.

Nur wenige Schritte entfernt steht die andere Installation. Diese zeigt ein Schwein im Karate-Doctor T-Shirt, welches mit einem Maschinengewehr auf Außerirdische schießt, die holographische Schärpen tragen.

Hier werden epische Geschichten erzählt, Projektionen von Wahrheit und Propaganda, die zwischen sich ein polarisierendes Vakuum aufspannen.

 

So ein Spagat ist nicht neu. Blicken wir kurz auf Exponate der Vergangenheit. Im Außenbereich entdeckt man die Langzeitinstallation Stillleben P, bestehend aus Kunststoffnachbildungen einer Prüfungsordnung und mehreren Personen in Trainingskleidung. Dazwischen thront eine elektronische Anzeige mit den aktuellen Prüfungsgebühren. Dies ist der dynamische Teil der Komposition, denn die Figuren verharren in Ihrer Stellung, geradezu darauf wartend, dass sich ihre Gürtel im Laufe der Zeit immer dunkler, bald braun und schließlich schwarz färben, was sie aufgrund der Umweltverschmutzung auch tun.

In Sichtweite davon liegen mehrere Gipsbüsten, die Systemfeinde von Anti-Fachverbänden darstellen sollen. Sie befinden sich in einem Taubenschlag und sind mit den Jahren von den Vögeln vollgeschissen worden. Der Künstler interpretiert sein Werk als die kritische Reflexion der Natur über die Arroganz von Nestbeschmutzern. Dieses Exponat gewann den Wanderpokal der königlichen Akademie für Schwarmblödheit.

 

Zurück in die Gegenwart. Stets von Publikum umlagert ist ein Apparat, der Seifenblasen unterschiedlicher Größe erzeugt. Eine kleine Sensation, denn durch durch Zusatz geheimer Chemikalien ist es gelungen, vollkommen schwarze Blasen zu produzieren. Wie ihre bunten Kollegen zerplatzen diese allerdings bei Kontakt mit der Außenwelt.

 

Trotz aller Planung und Überwachung gibt es manchmal noch Überraschungen. Über Nacht haben Unbekannte im Park eine neue Installation aufgebaut. Es handelt sich um ein Labyrinth aus Stacheldraht. Wenn man einen der Wege durch den Irrgarten gefunden hat, landet man bei Video Monitoren und wird mit der Darbietung vorbildlich ausgeführter Techniken belohnt.

Bei den Zuschauern hat diese Arbeit regen Anklang gefunden. Was sagen die Fachleute dazu ?

 

Das Objekt ist unverständlich, es wird keine Interpretation mitgeliefert. Wahrscheinlich wurde das Ganze nicht richtig durchakademisiert. Somit kann es bestenfalls als Dekorationsartikel klassifiziert werden. 

 

Wieder im Hauptgebäude, zieht eine Reihe von Betonblöcken die Blicke auf sich. Von weitem wirken sie wie überdimensionale Zigarettenpackungen. Beim Näherkommen erkennt man, dass diese mit Namen von Vereinen und Personen bedruckt sind. Wie beim Tabak gibt es auch hier Gefahrenhinweise. Wir lesen da zum Beispiel Anti-Dojos vergiften Ihre Zukunft, Antisenseis Gefallen zu tun, schadet Ihrem Ansehen, Antiverbände fördern chronische Scharlatanerie, Spaß-Training verursacht Realitätsverlust, Übergraduierung führt zu Größenwahn.

 

Aufgrund der leichten Verständlichkeit wird dieses Ensemble von einigen Kritikern als aufdringlicher Trivialaktionismus ohne greifbare Lösungsansätze abgetan. Andere loben es als Musterbeispiel naiver Bildhauerei in bester kubistischer Tradition.

 

Kommen wir nun zu dem Vorgang, der eine der heftigsten Debatten und, wie manche sagen, einen der größten Skandale der Kunstszene ausgelöst hat. Wir meinen natürlich die sogenannte Erweiterungs-Ästhetik, ein Konzept, bei dem berühmte Werke großer Meister verändert werden. Ja, Sie haben richtig gehört, Originale werden verändert. Wer es gekauft hat, besitzt es und kann damit machen, was er will. Oder doch nicht ?

 

Nun, ein heftiger Streit ist entbrannt und ein Ende nicht abzusehen. Die Methode gibt es schon länger, wurde aber der breiten Masse kaum bewusst, da bislang nur unbekannte Titel überarbeitet wurden. Kunst lebt, Kunst unterliegt Veränderungen und diese Kunstform überführt die Werke in ein neues Paradigma, in dem Kunst als universelle Sprache des Wandels definiert und realisiert wird. Ein wunderbar moderner Ansatz, gleichsam eine Globalisierung der Kreativität über Raum und Zeit.

 

Nennen wir mal ein paar konkrete Beispiele. Der Mona Lisa wurde ein schwarzer Gürtel umgemalt, der Mann mit dem Goldhelm steckt in einer Samurai Rüstung, in Piet Mondrian Bilder sind Tic Tac Toe Symbole gezeichnet, Munchs Schrei zeigt eine Person nach fehlgeschlagenem Bruchtest und auf Hokusais Welle prügeln sich Surfer mit Nunchakus. Bei einigen Pollock Bildern streiten die Experten noch, ob sie überhaupt verändert wurden.

 

Das mag man bedauern oder auch nicht. Es wurden Tatsachen geschaffen und lassen wir doch einfach den Markt entscheiden.

 

Das nächste Werk kann nur durch einen halbdurchlässigen Spiegel betrachtet werden. Es handelt sich um einen Hühnerstall mit freilaufenden Tieren, bei dem in Bodenhöhe zahlreiche Bildschirme aufgestellt sind, die Ausschnitte von Wettkämpfen und Training in zeitgenössischen Vereinen zeigen. Alle zehn Minuten wird der Raum verdunkelt, im Dämmerlicht verschmelzen sämtliche Elemente und erschaffen so eine der eindringlichsten Metaphern der Budomenta 13.

 

Eher für sportliche Naturen geeignet, ist eine begehbare Holzkonstruktion, in die man sich durch eine schmale Luke reinzwängen kann. In ihrem Inneren befindet sich eine Galerie mit riesigen Augen-Nachbildungen, an denen laufende Auto Scheibenwischer ihre monotone Tätigkeit verrichten. Erst beim Verlassen des Objektes merkt man, dass es sich um eine überdimensionale Arschattrappe gehandelt hat und es stellt sich das Gefühl verstörender Analogien ein.

 

Wenden wir uns jetzt dem am besten geschützten Exponat der Ausstellung zu. In einem Gehäuse aus Panzerglas steht ein DVD Spieler ohne Bild- und Tonausgabe. Bei der Disc, die er im Endlosmodus abspielt, handelt es sich um geheime Aufnahmen von Gesprächen, in denen die Schaffung kommerzieller Scheinwelten, das sogenannte Anti-Budoing, beschlossen wurde.

 

Die Informationen sind da, direkt vor uns, das, was man immer schon wusste, aber nicht beweisen konnte, so nah und doch unerreichbar, ein Monument der Entfremdung.

 

Das ist eine faszinierende Arbeit. Sie regt Zuschauer zum Denken an, vielleicht sogar zum Handeln, ja zum Überreagieren, gar zum Verlieren der Beherrschung. Es entsteht dieser zwanghafte Drang, sich auf das Gerät zu stürzen und es mit Ausgabegemedien zu verbinden. Da werden einzigartige Emotionen frei. Das ist ganz große Kunst.

 

Man redet ja ungern über Geld, aber was würde so etwas bringen ?

 

Führende Auktionshäuser setzen das Anfangsgebot auf eine Million Dollar, letztendlich müsste es deutlich mehr erzielen. Potentielle Käufer gibt es zu Hauf, da Verbände und Einzelpersonen großes Interesse haben, das Werk in ihre Privatsammlungen aufzunehmen.

 

Zum Abschluss unserer Sendung noch eine Anekdote am Rande. Aufgrund von Erfahrungen bei früheren Kunstausstellungen wurden die Toiletten mehrere Tage nicht gereinigt, weil unklar war, ob es sich hierbei um Ausstellungsstücke handelt. Nun ja, es kann wohl nicht jeder ein Kunstexperte sein. Bis zum nächsten Mal.

 

 

© 2012  DEA + GNM + HAW + TDI + UNE

 

zurück Button