Au-Pair
Teil
1
Liebe
Daheimgebliebene,
hier
in Deutschland ist alles anders und es ist nicht leicht,
sich zurecht zu finden. Es gibt ganz andere Sitten und
Gebräuche. Graduierungen laufen zum Beispiel vollkommen anders ab, als bei uns. Hier müssen die
Leute vorführen, was man auf Ihrer Stufe nicht mehr falsch
machen darf und das zeigen sie dann, also das Falsche. Man muss
ziemlich gut sein, um so eine Art von Prüfung durchführen zu können;
da sind wir Welten von entfernt. Sie machen das sehr überzeugend und
bislang haben immer alle
bestanden.
Der Vereinsvorsitzende ist der Beste von allen, er
verfügt über geheime Techniken, die er immer versteckt, um nicht mit
seiner Überlegenheit anzugeben. Zu mir ist er sehr freundlich und
hilfsbereit. Damit ich nicht durcheinander komme, sagt er
laufend, dass .
Der Verein hier ist
auch stark in seinem gesellschaftlichen Umfeld engagiert.
Zum Beispiel hat er
auf Ausrüstung für die Mitglieder verzichtet, nur um die örtliche Wirtschaft durch den Kauf von zu unterstützen. Eine derartige
Selbstlosigkeit muss uns allen Vorbild sein. Aber auch die einzelnen
Mitglieder leben Verantwortung vor. Wenn Lehrgänge stattfinden,
gehen sie dort bewusst nicht hin, um anderen Leuten nicht den Platz
wegzunehmen. Wie anders ist es bei uns; ich schäme mich für unsere
ungehemmte
Trainingssucht.
Die Sprache der Leute ist schwer zu verstehen;
Kiais heißen hier Uschaaa, Anfänger, die einige Zeit dabei sind,
nennt man Fortgeschrittene und die Bedeutungen von Tradition,
Scharlatanerie und Arschkriechen wachsen immer mehr
zusammen.
Das reguläre Training ist so schwer, dass ich kaum
mitkomme. Die Meditation zu Beginn hat eine unvorstellbare
Intensität. Die Trainierenden machen es nur wenige Sekunden, um sich
nicht geistig vollkommen zu verausgaben. Das Kime der Leute
ist so schnell, dass man es mit bloßem Auge nicht mehr
wahrnehmen kann. Ihre Techniken müssen enorm hart sein, denn
schon leichte Berührungen führen zu empörten Reaktionen der
Getroffenen.
So, jetzt schließe ich für heute. Der
Vereinsvorsitzende hat mir eine große Ehre zuteil werden lassen und
mich gebeten, ihm .
Viele Grüße
X
Teil
2
Lieber
Au-Pairling,
wir haben einen sehr netten Austausch aus . Das, was du schreibst, können wir
bestätigen. Unser Gast macht die Techniken extra schlecht, damit wir
ihn korrigieren dürfen. Wenn wir ihm etwas erklären, tut er so, als
ob er es nicht verstanden hätte, und macht es dann absichtlich
falsch. Das ist außerordentlich
rücksichtsvoll.
Seine Höflichkeit geht aber noch viel weiter. Um uns das
Gefühl zu geben, klüger als er zu sein, redet er laufend den
größten Müll. Sich so konsequent und überzeugend verstellen zu
können, erfordert eine Disziplin, von der wir nur träumen
können.
Ganz verstellen kann er sich aber dann doch nicht. Um
niemanden mit seinen extrem starken Techniken zu verletzen, hält er
riesige Abstände. Wahrscheinlich ist schon der Luftdruck seiner
Techniken äußerst
gefährlich.
Zum Training kommt er meistens zu spät. Ich glaube, er
weiß, wie sehr seine Überlegenheit uns beschämen kann. Deshalb
zögert er, überhaupt zu kommen, aber überwindet sich nach einiger
Zeit doch noch.
Damit schließe ich jetzt den Brief.
Gleich gibt unser Austausch uns wieder die Ehre, ihm zu zeigen, wie
man einen Gürtel richtig bindet --- Der Schelm
!
Viele
Grüße
Y