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 Verlieren um zu Gewinnen

 

 

Training ist dazu da, um besser zu werden. Wettkampf ist dazu da, um zu gewinnen. Richtiger Kampf ist ... vielleicht ein andermal. Das sind sicher  Vereinfachungen. Dennoch, daraus folgt, dass man beim Wettkampf alles tut (Natürlich nicht alles; wer das macht, hat einiges nicht verstanden.), um zu gewinnen oder zumindest nicht zu verlieren. Möglichst keine Experimente, das machen, was man am besten kann, was am sichersten ist und Erfolg verspricht.

 

Problematisch ist es, wenn diese Einstellung auf das normale Training übertragen wird. Dann nimmt man sich viele Möglichkeiten, Fortschritte zu machen. Die Alternative: Neues ausprobieren, Fehler in Kauf nehmen, Risiken eingehen, andere Techniken, andere Kombinationen, andere Taktiken, bewährte Dinge in veränderter Form tun.

 

Während des Lern- oder Umstellungsprozesses wird man unweigerlich schlechtere Ergebnisse bringen, langsamer sein, schwächer sein, Trainingskämpfe verlieren und das durchaus über längere Zeit. Das bedeutet auch, verlieren gegen Leute, gegen die man gewinnen könnte, bliebe man bei seinen bewährten Methoden.

 

Das heißt nicht, dass man seine besten Techniken etc. vernachlässigen soll. Wie so oft ist es wieder die Ausschließlichkeit, die schadet.

 

Diese Überlegungen gibt es nicht nur beim Freikampf. Für jede Trainingsform lassen sich Beispiele anführen. Gohon - Kihon Ippon - und Jiyu Ippon - Kumite. Man kann sich die Sache angenehm machen, als Angreifer durch unrealistisch kurze Distanzen, als Abwehrender durch unrealistisch lange. Wer besonders schnell rückwärts ausweichen kann, aber schlecht zur Seite, bewegt sich immer zurück. Wer Schwierigkeiten mit Beintechniken hat, macht ständig Armtechniken.

 

Wenn man sich die Sache leicht macht, hat man laufend kurzfristige Erfolgserlebnisse. Wenn man sich die Sache nicht leicht macht, hat man Misserfolge, verliert, wird getroffen, ist zu langsam, kann nicht richtig abwehren, usw. Aber langfristig ist hier der Trainingserfolg größer, bezüglich Dynamik, Geschwindigkeit, Antritt, Timing, Reaktionszeit und, nicht zuletzt, Vielseitigkeit.   

 

Auch bei Kihon Übungen, wo keine direkte Rückmeldung vom Gegenüber erfolgt, ist das oben Gesagte relevant. Stände, die besonders bequem sind, verkürzte Bewegungen, Auslassen von Übungsteilen, Vortäuschen von Geschwindigkeit. Es gibt viele Möglichkeiten, nützliche Anstrengungen zu vermeiden.

 

Es läuft oft darauf hinaus, die Wahl zu haben: Entweder, kurzfristige Erfolgserlebnisse und Befriedigung des Egos bei gleichzeitigem Hemmen des Weiterkommens. Oder, langfristig besser werden und, bis es soweit ist, einstecken, körperlich und psychisch. Bei manchen Dingen wieder zum Anfänger werden, mit allen Konsequenzen.  

 

Denn es ist ein unangenehmes Gefühl, zu verlieren, schlimmer noch, zu verlieren, obwohl man gewinnen könnte, noch schlimmer, zu verlieren gegen Leute mit niedrigerer Graduierung, und noch viel schlimmer, dabei zusätzlich beobachtet zu werden.

 

Aber manchmal muss man eben verlieren, um zu gewinnen.

 

© 2005 TDI

 

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