Martial
Ink
Folge 3
Hallo, ich bin X, der Gründer von Martial Ink,
einem Tattoo-Studio spezialisiert auf Budo Motive. Zusammen mit
einigen Kollegen können wir auch ausgefallene Wünsche unserer
Kunden
erfüllen.
Als einige Kampfkünste den Bach runtergingen und
zur Spielwiese von Scharlatanen und Geschäftemachern wurden, unter
den wohlwollenden Augen von Fachverbänden, die das ganze eingeleitet
und gefördert hatten, sind wir aktiv geworden.
Denn wenn die Gürtelkonsumenten unbedingt für
dumm verkauft werden wollen, können sie das haben, aber richtig
professionell und nicht so einfallslos wie bis jetzt. Die Leute fressen jeden Scheiß, den man ihnen als
fünf Sterne Gang vorsetzt, und bitten danach in vorauseilendem
Selbstbetrug noch um Nachschlag. Und das werden wir konsequent zu
unserem Vorteil
ausnutzen.
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Am Wochenende hatte sich vor unserem Laden eine
lange Schlange gebildet. Eine einzigartige Ansammlung von
Mitläufern, Opportunisten und Heuchlern, die so manches Parlament in
den Schatten stellen könnte. Alle Gürtelfarben waren vertreten,
inklusive dem ein oder anderen Pseudo-Meister. Am Freitag abend war
das Gerücht verbreitet worden, dass es geheime Graduierungen gibt,
die schon bald zu den bisherigen aufaddiert werden
sollen.
Ja, und unser Tattoo Studio hatte
angeblich die offizielle Lizenz, entsprechende Prüfungen abzunehmen.
Und genau das haben wir dann auch getan. Zuerst mussten die Anwärter
in den geheimen Verband der Freigürtler eintreten. Nach
Entrichten der Aufnahmegebühr wurde ihnen für eine Gebühr der
Verbandsausweis übergeben. Danach konnten sie sich zur Prüfung
anmelden und wieder eine Gebühr bezahlen. Der Renner waren die
Doppelgraduierungen zum vierfachen Preis mit besonders
prestigeträchtigem Stempel und
Mitgliedsschaft-Tattoo.
Dann wurden sie zum Ableisten von
Gefallen und für Beziehungen auf Abruf eingeteilt. Einige schickten
wir zum Spargel fangen, Trolle aufrüsten und Playstation ernten.
Danach haben wir sie ein paar Gymnastikübungen machen und schön
schwitzen lassen und danach wurden sie graduiert. Die ganze Prozedur
hatte offensichtlich bei keinem der Teilnehmer Zweifel erregt.
Es war eben vom Prinzip her so, wie sie es gewohnt waren. Anstelle
von Gürteln wurde ihr neuer Rang mit Tattoos
ausgedrückt, Heringe mit bunter Bauchbinde, die wir als
traditionelle Koi Fische mit Gürtel angepriesen haben, da
wurde dann wieder reichlich für abkassiert.
Besonders viel Geld konnte man
den geheimen Möchtegern Schwarzgurten abzocken, zehnfache Gebühr und
als Gefallen befreundeten Landwirten die Jauchegrube tischfein
machen. Das haben wir gefilmt und ans Fernsehen verkauft. Die
Neubemeisterten haben neben einer schönen Urkunde auch alle die
Adresse der Karate-Doctor Website als Tattoo verpasst
bekommen. Die ganze Aktion war so erfolgreich, dass wir sie in
einigen Monaten wiederholen
werden.
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Am folgenden Tag hatte sich die Lage beruhigt und
der normale Betrieb ging weiter.
Den ersten Termin hatte A. Sie war lange Zeit ein verlässliches
Werkzeug des Antisensei vom *** Verein und konnte
sich in einem schmerzlichen Erkennungs- und Trennungsprozess von dem
Scharlatan lösen. Nun will sie ihre wiedergewonnene Vernunft mit
einem Tattoo
darstellen.
Hi A, wie geht´s
?
Schon besser, aber manchmal habe ich noch
Flashbacks und Albträume, die mich an den ganzen
***
Scheiß erinnern.
Muss wohl ziemlich schlimm gewesen sein. Wie bist
du denn in die Sache reingeraten
?
So wie die meisten anderen auch. Erst habe ich
einen Anfängerkurs mitgemacht, der ***
Vereinsvorsitzende, das miese ***, hat mich ab und
zu angesprochen und irgendwann war ich dann Helfer bei einer
Veranstaltung; und dann bei noch einer und noch einer und so
weiter.
Und da hast du noch nichts gemerkt
?
Überhaupt
nicht. Ich bin immer mehr eingewickelt worden und dachte, dass das
alles so sein muss. Ich kannte ja auch nichts anderes.
***, ***
!!!
Die typische Opfer-Mittäter Karriere
also.
Mit der Zeit ist alles immer verkommener geworden.
Aber selbst, als mir Zweifel kamen, habe ich mich gegen die Einsicht
gewehrt.
Weil nicht sein kann, was nicht sein
darf.
Genau. Selbst als mir vollkommen klar war, was
abgeht, habe ich noch regelmäßig mitgemacht. Ich habe mich sogar
wider besseres Wissen gezwungen, die Karate-Doctor Leute anzufeinden
und ***.
Und der Antisensei hat euch immer mehr
ausgenutzt.
Ja, und ich
habe das verlogene *** auch noch
verteidigt.
Aber dann bist du doch noch
rausgekommen.
Das ja, aber viel zu spät. Es hatte mich innerlich
fast zerrissen, ich habe mich selbst zum kotzen gefunden und immer
mehr reingeritten. Als ich fast am Ende war, konnte ich mich dann
doch noch irgendwie lösen. Öffentlich kann ich das
alles noch längst nicht
zugeben.
Das braucht wohl seine
Zeit.
Ja, und ein weiterer Schritt ist nun, meine alten
Tattoos loszuwerden.
OK, lass mal sehen. Das eine ist ein Portrait des
Antisensei und darunter ist noch
etwas.
Das sind Name und Logo des ***
Fachverbandes. Ich will jetzt alle Symbole des Irrweges
loswerden.
Eine Möglichkeit wäre, das ganze mit einem Laser
wegzumachen.
Oder es mit
etwas anderem
überdecken.
Ja, nur die Dinger sind ziemlich groß, das wird
schwierig. Lass mich mal kurz nachdenken .... genau, das könnte
gehen. Es wird nicht überdeckt, sondern in ein anderes Motiv
eingefügt.
Wie sieht das dann aus
?
Hier, ich skizziere es mal. Das neue Motiv wird
eine Rolle Klopapier werden. Auf die einzelnen Blätter kommt dann
abwechselnd das Bild des Antisensei und das Verbandslogo. So können
wir die vorhandenen Tattoos
integrieren.
Super Idee. Die Anspielung ist eindeutig und
drückt meine Gefühle klar
aus.
In Ordnung, ich fertige dann eine genaue Vorlage
an und in einigen Tagen können wir mit dem Tattoo
beginnen.
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Nun
ja, A hat es geschafft loszukommen, aber viele sind
noch dabei und es kommen regelmäßig neue hinzu.
Eine Goldgrube für unser Geschäft; wir überlegen
eine Filiale aufzumachen. Oder vielleicht gleich eine
Schnell-Tattoo-Kette mit Niederlassungen in
Sporthallen.
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In der nächsten Folge von Martial Ink treffen wir
eine Gruppe von Leuten, denen wir Transit Visa für bunte Gürtel
verkaufen.
Bis dahin ....
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