Börsen-Crash
Meine Damen und Herren, hier noch
einmal eine Zusammenfassung der wichtigsten Ereignisse an den
Kampfsport Graduierungsmärkten seit dem letzten
Wochenende.
Ausgangspunkt des
Geschehens waren routinemäßige Hochgürtelungen beim ***
Verein. Gegen Mitte der Veranstaltung zogen mehrere
Prüfungskandidaten plötzlich ihre Anträge zurück. Zur gleichen
Zeit erklärten weitere Teilnehmer, dass sie auf ihre bereits
erhaltenen Graduierungen verzichten wollen.
Wie konnte es dazu kommen? Auslöser
für diese Vorgänge waren aktuelle Artikel auf der Karate-Doctor
Website, die die augenblickliche Situation noch einmal in aller
Klarheit schilderten. Unter anderem zeigte man anhand einer
Hochrechnung, dass bei Fortführung der bisherigen
Graduierungspolitik ein heutiger durchschnittlicher Grüngurt in
etwa zehn Jahren den zwölften Dan verliehen bekommen müsste. Neue
Enthüllungen über die Politik des zuständigen Fachverbandes,
Einzelheiten der Machenschaften des örtlichen
Anti-Vereinsvorsitzenden, sowie die Veröffentlichung der wahren
Vereinsstatistiken taten das Ihrige dazu.
Als danach auch immer mehr
Zuschauer, Helfer und Betreuer ankündigten, auf ihre
Graduierungen zu verzichten, war die
Lawine nicht mehr aufzuhalten. Über Mobiltelefone verbreitete
sich die Nachricht und führte innerhalb weniger Stunden zu
Prüfungsstreiks und Gürtelrückgaben in allen Teilen des Landes.
Daraufhin beendete der Fachverband vorzeitig sämtliche
Prüfungsshows. Von offizieller Seite wurde mitgeteilt, dass es
keinen sachlichen Grund zur Panik gebe und man erwarte, dass sich
die Situation in den kommenden Wochen wieder normalisieren werde.
Als jedoch bekannt wurde, dass der Verband kurzfristig mehrere
hundert Meistergrade verteilen wolle, um ausgewählte Personen zum
loyalen öffentlichen Gegensteuern zu bewegen, eskalierte die
Lage immer mehr.
In den folgenden Tagen gaben ganze
Trainingseinheiten geschlossen ihre Graduierungen zurück und
weigerten sich, die ihnen offiziell zustehenden bunten Gürtel zu
tragen. Selbst passive und seit Jahren abgemeldete Mitglieder
schlossen sich den Aktionen an. In manchen Gegenden waren die
Altpapiercontainer überfüllt mit Prüfungsurkunden und
Verbandsausweisen. Der strukturierte Trainingsbetrieb brach
zusammen, Anfänger, Mittel- und Oberstufen mischten sich beliebig
und so mancher Pseudo-Schwarzgurt konnte nur im Wassernebel der
Duschen seinen wütenden Verfolgern
entkommen.
Experten hatten schon seit langem
davor gewarnt, dass das durchschnittliche Gürtelniveau vollkommen
unrealistisch hoch sei. Über viele Jahre habe sich das ganze
Rangsystem zu einer aberwitzig überbewerteten Graduierungsblase
entwickelt. Der jetzt erfolgende Crash stelle eine notwendige,
aber viel zu späte Kurskorrektur dar. Besonders bedauerlich sei
dabei, dass auch das gute Ansehen von realbewerteten Personen
Schaden nehmen würde.
Mittlerweile hat
sich der Abwärtstrend abgeschwächt, da die meisten Leute
ihre angemessenen Einstufungen erreicht haben. Hierbei
sorgte eine Anekdote am Rande
gleichermaßen für Empörung wie für Erheiterung.
Der Antisensei aus *** hatte die
Tumulte offensichtlich dazu ausgenutzt, eine Reihe von noch
ausstehenden Gefallen einzufordern und verschaffte sich so 25
weitere Dan-Grade. Seine Euphorie und Forderung, als bundesweiter
Hyper-Meister anerkannt zu werden, verpufften jedoch im
augenblicklich herrschenden Klima von Selbsterkenntnis und
Ehrlichkeit.
Was bringt die Zukunft
? Die neuesten Pläne sehen eine Gürtelreform vor, bei
der die bisherigen Phantasie-Graduierungen im
Verhältnis 4 zu 1 in neue, reale Bewertungen umgetauscht
werden. Konkret bedeutet dies eine Herabstufung der meisten
Verbandsmitglieder um drei Ränge. Die Ankündigung, kommende
Prüfungen nach strengen und ernst zu nehmenden Anforderungen
abzuhalten, führte zu einer Austrittswelle von sogenannten
Spaß-Budoka und aufgeflogenen Anti-Funktionären. Parallel dazu wurde
die Gründung eines neuen Verbandes bekannt gegeben, der die alten
Graduierungen anerkennen will und zusätzlich einen 25 Prozent
Treuebonus verspricht.
Und nun die
Wettervorhersage.